Erkenntnis des Tages: Den Caminho kann man nicht lehren, nur lernen
Die Kleider, die wir gestern gewaschen und auf dem Balkon aufgehängt haben, sind noch feucht, weil die Sonne nicht mehr hin kommt. Auf dem Weg zum Frühstücksraum suchen wir noch ein sonniges Plätzchen damit sie trocknen können.
Im Frühstücksraum sind das ungleichaltrige Pärchen aus England. Später kommen zwei junge, sehr kräftige, tätowierte Männer herein. Von einem der Beiden hat sich gleich in Porto die Sohle vom Wanderschuh abgelöst und er musste mit seinen Birkenstockschlappen weiter latschen. Vor der Bergetappe hat er sich neue Schuhe gekauft und ist mit 15kg Gepäck über die steilen Berge gegangen. Sie sind erst mittags los und kommen gestern erst um 22 Uhr an. Jetzt sind die Füße voller Blasen und die Beiden sind mental dem Ende nahe. Als unerfahrener Pilger nimmt man sehr häufig viel zu viel mit. Es gibt zwar zahlreiche Foren, Packlisten und Tipps im Netz zu finden, aber scheinbar hilft das alles nichts, denn sehr viele der jungen Generation schleppen riesige Rucksäcke mit sich herum. Teilweise baumeln noch irgendwelche schwere Ledertaschen, Beutel und Schuhe außerhalb des Rucksacks herum. Es fällt auf, dass die über 60-jährigen Wanderer oft die Zähesten auf den langen Distanzen sind. Teilweise legen sie Strecken von über 30 km pro Tag zurück und haben im Vergleich zu den Jungen die kleinsten Rucksäcke und auch Körpergewichte.
Die Blessuren stehen demnach meist proportional zum Gesamtgewicht und umgekehrt proportional zum Alter. Scheinbar ist es aber so, dass letztlich jeder seine eigenen Erfahrungen machen muss. Je öfter man unterwegs ist, umso weniger nimmt man mit auf den Weg. Als wir ihnen sagen, dass wir jeden Tag unsere Sachen einfach waschen, schauen sie uns mit ganz großen Augen an, als wüssten sie nicht was waschen ist. Offenbar haben sie die komplette Garderobe für 2 Wochen im Rucksack.
Sicher ist, dass die Beiden beim nächsten Mal sicherlich weniger mitschleppen werden. Wenn sie dann mal 75 Jahre alt sind, kommen sie vielleicht auch mit einem kleinen Tagesrucksack für 6 Wochen Gehzeit zurecht.
Wir überholen wieder die beiden Barfußläuferinnen, die Mutter mit ihrer 7-jährigen Tochter. Es ist unvorstellbar, dass ein Kind eine solche Willenskraft hat. Fröhlich plappert es locker barfußlaufend vor sich hin und erfreut sich der Dinge am Wegesrand (Foto).
Die beiden laufen nun schon über 120 km ohne Schuhe, bergauf, bergab, über Schotter, Kopfsteinpflaster, Felsen, die Römerstraße XIX und zahlreiche heiße Teerstraßen.
Sie sind einige Stunden früher unterwegs und brauchen etwas länger bis sie ankommen, schaffen aber täglich dieselbe Distanz wie wir. Sind also viel länger auf den Beinen. Aber sehen immer sehr fröhlich und erholt aus.
Man vergleiche das mit den beiden jungen Männern, die auch nicht weiter laufen.
Faszinierend, wie unterschiedlich der Camino erlebt und gegangen wird.
Die einen laufen locker flockig barfuß, die anderen erkämpfen sich jeden Kilometer und quälen sich Tag für Tag.
Für uns ist es so ein Mittelding. Keine Blessuren (bis jetzt), aber abends freut man sich auf die Dusche und das Abendessen. Vielleicht weil wir mittleren Alters sind.
Die beiden rüstigen Rentnerpärchen aus der Schweiz und aus Wesel treffen wir unterwegs immer wieder. Sehr nette Zeitgenossen. Auch sie laufen problemlos die Berge auf und nieder, freuen sich über die kleinen Dinge des Lebens und sind sehr dankbar.
Die Strecke ist wieder gut markiert. Verlaufen fast unmöglich. Am Anfang kommt nochmal ein moderater An- und Abstieg für ca. 1 1/4 Stunden bis nach São Bento da Porta Aberta. Ab Fontoura ist es quasi eben. Der Camino geht wieder durch ländliches Gebiet, indem sich Hohlwege mit alten gepflasterten Römerstrassen, Wäldern, Feldern und kleinen Dörfern abwechseln. Eine wundervolle Landschaft. Auffallend ist hier in Portugal, dass die kleinen Dörfer nicht am Zerfallen sind, sondern oft findet man stilvolle große Häuser und Villen vor. Landflucht ist hier offenbar ein Fremdwort. Gut so!
Heute feiern wir unser ‚Bergfest‘, denn bis Santiago de Compostela sind es ab hier nur noch 120 km. Mehr als die Hälfte der Strecke haben wir bereits hinter uns gelassen und sind nun direkt an der Grenze zu Spanien angekommen. Der Rio Ninho trennt Portugal von Spanien.
Wir erreichen Valença um 15 Uhr in der Mittagshitze. Bei der Unterkunftssuche werden wir gleich fündig, stellen unseren Rucksack kurz ab und gehen eine Kleinigkeit essen. Weil unser Geld ausgegangen ist, der Geldautomat nur 200 € ausspuckt und wir zwischendurch keinen Bankomaten gefunden haben, ist uns unterwegs das Geld ausgegangen. Hier in Valença bekommen wir wieder nur 200 € und man muss oft bar bezahlen.
Sehr beeindruckend ist die nahezu ursprünglich erhaltene gigantische Festungsanlage, die die komplette
Altstadt umringt.
Am Abend machen wir noch eine Besichtigung der Altstadt und suchen uns ein Menü de Peligrino.
in van-der-voorden.com
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